Bundestagsabgeordnete vom rechten Rand der Union und Medien verhelfen Rechtsextremen zu Einfluss auf die Besetzung des wichtigsten Verfassungsorgans
In einem Artikel der Badischen Zeitung vom 21.Juli 2025 mit der Überschrift „Juristin Kaufhold auch unter Beschuss“ wurden in großer Aufmachung völlig haltlose und unsachliche Äußerungen aus der rechten äußeren Ecke zu einer Meldung von hoher Bedeutung gemacht.
Der Tweet auf Plattform X des Staatsrechtlers Ulrich Vosgerau, die nominierte Juristin Ann-Katrin Kaufhold sei ebenso wenig wählbar wie Frauke Brosius-Gersdorf, wurde auf diese Weise erst einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Vosgerau ist nicht einmal Mitglied des Bundestages, wohl aber war er – laut Wikipedia - Teilnehmer des Treffens von Rechtsextremisten in Potsdam 2023, mit auffälligen Gedächtnislücken über die dort von Sellner propagierte Ausbürgerung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund.
Die im Artikel zitierte zweite Auslassung , die Nominierung von Juristin Kaufhold sei gefährlich und ein weiterer Schock für die Demokratie, stammt von Stephan Günther Brandner, stellvertretender Bundessprechern der AfD, der wegen vorangegangener Beschimpfungen und antisemitischer Ausfälle 2018 vom Vorsitz des Rechtsausschusses des Bundestages abgewählt wurde. Der Artikel der Badischen Zeitung wirkt leider wie ein Megaphon für diese diskriminierenden Äußerungen und die dahinter stehenden Absichten.
Dieser Vorgang entspricht einer einfachen aber gefährlichen Masche mit hohem Wirkungsgrad. US-Präsident Donald Trump hat es darin zur höchsten Meisterschaft gebracht, indem er selbst sichtlich falsche Behauptungen zu einer emotionalisierenden Meldung macht, in die breite Öffentlichkeit streut, damit maximale Aufmerksamkeit erreicht und Zweifel an der Wahrheit sät. In Falle der Verfassungsrichterwahl gelingt es der AfD und ihren Sympathisanten erschreckend erfolgreich, Realpolitik an den empfindlichsten Schaltstellen unserer Demokratie zu betreiben. Es werden aus der Vita der Nominierten Aufhänger gesucht, die sich eignen für aufgebauschte und verzerrte Darstellungen. Nach Transport dieser Machwerke in die Öffentlichkeit kann man sich der geballten Aufmerksamkeit der Medienlandschaft sicher sein. Die inkriminierten Personen werden zu Erklärungen gezwungen, werden sogar beleidigt und bedroht. Das vielfache mediale Echo sorgt auf jeden Fall dafür, dass etwas an der Person hängen bleibt und selbst bei kritischen Geistern führt es zu kleinen Verunsicherungen. Außerdem werden Überlegungen angestoßen, aus ‚pragmatischen‘ Gründen auf die Nominierung der angegriffenen Person zu verzichten.
Bei Frauke Brosius-Gersdorf fand man Äußerungen zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Das ließ sich idealerweise instrumentalisieren und verdrehen nach dem Vorbild Trump. Der hatte mit seiner Abtreibungsverbotspolitik Evangelikale und ultrakonservative Katholiken zu seinen politischen Verbündeten gemacht. Dieses rein taktische, geheuchelte Eintreten für ungeborenes Leben steht in himmelschreiendem Widerspruch zu dem menschenverachtenden, Menschenleben zu Hunderttausenden dem Elend und Tod preisgebenden politischen Handeln. Wie erfolgreich sich diese schmutzige Karte auch bei uns ausspielen lässt, konnte man jetzt im Bundestag beobachten. Und sogar der Bischof von Bamberg hat sich vorübergehend da hineinziehen lassen.
Dass von der AfD und von Rechtsextremen derartige Schmutzkampagnen für ihre rechtsextremen Ziele genutzt werden, konnte und musste man erwarten. Viel erschreckender ist die Resonanz und Unterstützung aus den Reihen der Union. Hier macht man sich mit denen gemein, die an der Destabilisierung unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Grundfesten arbeiten. Nicht wegen der AfD, sondern nur aufgrund dieser mit der AfD optierenden Kräfte musste die Nominierung der Verfassungsrichter vorerst aufgeschoben werden.
Der Vorgang ist von äußerster Brisanz: Teile der Union sorgen dafür, dass Rechtsextremisten im Bundestag unmittelbaren Einfluss auf die Besetzung des wichtigsten Organs zum Schutz unserer Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gewinnen. Das ist ein Protopyp für künftige, unser Staatswesen destabilisierende Beeinflussungen. Diese kleine Gruppe in der Union mit Positionen am rechten Rand kann weiterhin entscheidenden Einfluss in Richtung Rechtsverschiebung der Unions- und Regierungspolitik ausüben. Sie kann künftig ihren Stimmenanteil als Erpressungspotential nutzen, wenn sie nicht jetzt von der Parteispitze eingehegt wird. Jens Spahn ist dafür nicht geeignet, da er selbst in diesem Bereich zündelt.
Wie soll das weitergehen? Markus Söder hat schon den Ratschlag parat, die SPD solle die Kandidatin zurückziehen. Er schlägt somit vor, der diskriminierenden AfD – Kampagne zum vollen Erfolg zu verhelfen. Wenn das passiert, wirkt das wie eine Unterstützung und ein Freifahrtschein für das destruktive Agieren der AfD. Wenn einem daran gelegen ist, den Rechtsstaat gegen die Bedrohung von Rechtsaußen zu schützen, darf es auf keinen Fall soweit kommen. Die SPD darf nicht vor lauter Koalitionsdisziplin einknicken und der Bundeskanzler Friedrich Merz darf sich hier nicht sich für faule Kompromisse hergeben.