Restriktive Migrationspolitik – was sie mit den Betroffenen und der Gesellschaft macht. 

Hanna Arendt: „Wo es ein Flüchtlingsproblem gibt, gibt es ein Problem, das größer ist als das der Flüchtlinge. Wo die Rechte des einen in Gefahr sind, sind die Rechte aller in Gefahr.“

Die massenhafte Aufnahme von Ukrainern, nicht die Entwicklung der Fluchtbewegungen aus anderen Ländern führte zur zeitweisen Überforderung der Aufnahmekapazitäten

Betrachtet man die Flüchtlingsbewegungen der letzten 10 Jahre, so fanden sog. unerlaubte Einreisen nach Deutschland nach dem Pik 2015/2016 von ca.750.000 Menschen (vor allem aus Syrien, weniger aus Afghanistan und Irak) im anschießenden Zeitraum nur in geringem Ausmaß statt. Von den seit 2015 eingewanderten gut eine Million Flüchtlingen aus den acht häufigsten Asylländern (Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Eritrea, Somalia, Nigeria und Pakistan) sind knapp 75% beschäftigt, ca. 2/3 sozialversicherungspflichtig, ca. 10% geringfügig. Was die Lage in Deutschland mit Überforderung der Aufnahmekapazitäten tatsächlich verschärfte, war einzig und allein die massenhafte Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Der Pik lag 2022 bei ca. 1.2 Millionen Personen (aus Statistiken der Badischen Zeitung vom 30.08.2025 entnommen). Wenn jetzt bei den seit zwei Jahren ohnehin abnehmenden Flüchtlingszahlen aus Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan weiter auf sog. unerlaubte Einreisen fokussiert wird, entbehrt das einer sachlichen Notwendigkeit. Unerlaubte Einreise hat nichts mit widerrechtlich zu tun, sondern bedeutet nur, dass eine Einreise nicht durch ein zuvor ausgestelltes Visum legitimiert werden konnte, was in einem kriegszerstörten Land oder bei Menschen, die im Ursprungsland verfolgt oder mit dem Tod bedroht wurden, in der Regel gar nicht möglich ist.

Die sog. Migrationswende nach dem Koalitionsvertrag

Trotz rückläufiger Flüchtlingszahlen wurde von der schwarz-roten Regierungskoalition etliche Verschärfungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik beschlossen.

- Im Koalitionsvertrag heißt es: „Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung. Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet.“

Pro Asyl dazu: „Durch die Verschärfungen der neuen Bundesregierung erodiert das Grundrecht auf Asyl, die Gültigkeit unveräußerlicher Menschenrechte gerät in Gefahr. All dies steht im Widerspruch zur Absicht, ein ‚weltoffenes Land‘ zu sein“.

- Im Koalitionsvertrag steht: „Auf europäischer Ebene ergreifen wir mit Blick auf Debatten um das Konzept sicherer Drittstaaten eine Initiative…, um Rückführungen und Verbringungen zu ermöglichen.“ Inzwischen hat die EU mit tatkräftiger Unterstützung Deutschlands diese Vorgehensweise beschlossen.

Pro Asyl dazu: „Der Begriff verschleiert: Flüchtlinge sollen für ihr Asylverfahren demnächst in andere Länder gebracht werden, und Asylverfahren ausgelagert werden – obwohl – siehe Modell Ruanda – diese Anläufe vor Gerichten gescheitert sind.“

- Der Koalitionsvertrag kündigt an: Wir sorgen für eine konsequente Umsetzung der bestehenden Anspruchseinschränkungen im Leistungsrecht.“

Pro Asyl dazu: „Die Koalition ist entschlossen, Schutz suchende Menschen in existenzielle Notlagen zu bringen - eine Drangsalierung, die unter den Begriffen „Bett, Brot und Seife“ firmiert. - das gilt für Menschen, bei denen ein Asylverfahren in anderen Ländern zuständig ist. Gerichte hatten schon völlige Leistungsausschlüsse für rechtswidrig erklärt und das Bundesverfassungsgericht 2012 geurteilt: ‚Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren‘.“

- Im Koalitionsvertrag steht: „Wir wollen eine Möglichkeit für einen dauerhaften Ausreisearrest für ausreisepflichtige Gefährder und Täter schwerer Straftaten nach Haftverbüßung schaffen, bis freiwillige Ausreise oder Abschiebung erfolgt.“

Pro Asyl dazu: „Dagegen ist unbefristeter Freiheitsentzug nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrfach geurteilt, dass ein zeitlich unbegrenzter Ausreisearrest dem Recht auf Freiheit (Art. 5 der Europäischen Menschenrechts-konvention) widerspricht.

- Im Koalitionsvertrag ist vereinbart: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus“

Pro Asyl dazu: „Subsidiär geschützte Menschen können aus schwerwiegenden Gründen – zum Beispiel wegen der Gefahr gefoltert oder getötet zu werden – nicht in ihr Herkunftsland zurück. Sie können nicht zu ihrer Familie zurück und die Familie ist auf den Geflüchteten angewiesen. Ein solcher Nachzug entspricht Art. 6 Grundgesetz und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Den Familien wird die Aussicht auf ein Zusammenleben genommen. Das ist inhuman.

Mit Übernahme der Regierungsverantwortung hat die schwarz-rote Koalition umfassende Grenzkontrollen zur Abwehr von Asylbewerbern und Flüchtlingen eingerichtet. 80 Millionen Euro wurden zwischen September 2024 und Juni 2025 für die zusätzlichen Grenzkontrollen ausgegeben. Mit diesem Geld hätten mit einer besseren Ausstattung des Bundesamtes für Migration die anhängigen Asylverfahren beschleunigt werden können und mit verbesserten Integrationsangeboten die Vermittlung in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft verbessert werden können.

Drangsalierung von Geflüchteten ist schädlich, sie steigert auch nicht die angekündigten massenhaften Rückführungen

Immer wieder kündigten Politiker der Unionsparteien massenhafte Rückführungen von ausreisepflichtigen Migranten an, was aber weder machbar noch vertretbar ist.

2023 waren rund 243.000 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. 180.000 von Ihnen – also 80% - hatten eine Duldung, und das zumeist aus guten Gründen. 140.000 waren abgelehnte Asylbewerber bzw. Asylbewerberinnen. Die anderen sind Menschen mit abgelaufenen Besuchsvisum und ausreisepflichtige EU-Bürger. Die Mehrheit der abgelehnten Asylantragsteller kam aus dem Irak, Afghanistan, der Russischen Föderation, Nigeria, der Türkei und Syrien – Länder in die Abschiebungen oft nicht möglich oder gar verboten sind.

Auch der Versuch, über Bezahlkarten und Überweisungsrestriktionen den Zuzug von Flüchtlingen zu bremsen versuchen, geht an der Realität vorbei: Es hindert die Betroffenen, günstig einzukaufen, z.B. auf Flohmärkten, Kinder an Klassenfahrten teilnehmen zu lassen, Handyverträge abzuschließen etc. Nicht die Frage des Bargeldes spielt bei der Wahl des Aufnahmelandes eine wesentliche Rolle, sondern das Vorhandensein von Freunden, Familienangehörigen, Arbeitsmarktchancen, Rechtsstaatlichkeit und vorhandene Sprachkenntnisse.

Eine Integration in den Arbeitsmarkt könnte eine win-win Situation für Geflüchtete und Gesellschaft sein. Gesetzlich ist für Asylsuchende vorgegeben, dass die jeweilige Ausländerbehörde zunächst eine Arbeitserlaubnis erteilen muss. Oft sind diese Behörden aber überlastet und treffen keine, verspätete oder negative Entscheidungen. Es müssten also zuerst behördliche Hürden abgebaut werden. Jedoch wollte man oft auch eine ‚vorzeitige‘ Integration (d.h.: vor Abschluss des Asylverfahrens) verhindern – was bei Betrachtung der Statistiken gern als mangelnder Arbeitswille ausgelegt wurde. Bis Asylsuchende endlich in die Zuständigkeit der Arbeitsagenturen übergehen, dauert es in der Regel mindestens zwei Jahre. Verlorengegangene Dokumente zur Qualifikation, abseitige Lage von Asylantenheimen und Wohnauflagen erschweren zusätzlich den Zugang zu einem passenden Arbeitsplatz.

Gefährliche Folgen der verfehlten Migrationspolitik der Bundesregierung

Restriktive Migrationspolitik und diskriminierende Äußerungen vor allem von Politikern der Unionsparteien zeigen bereits bedenkliche Auswirkungen bei den unverzichtbaren Mitgliedern unserer Gesellschaft mit Migrationshintergrund. Bei einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in 2024 äußerte jede elfte Person mit Migrationshintergrund, aufgrund des Aufstiegs der AfD ernsthafte Pläne zu haben, Deutschland zu verlassen. Jeder vierte Person denkt zumindest darüber nach (Spiegel 45/2025). Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin zeigt sich besorgt über die abschreckende Wirkung auf internationale Forscher und Studierenden: „Das Erstarken der AfD ist in diesem Punkt ein Problem, die Vorbehalte wachsen.“ Auch die jüngsten Stadtbildäußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) haben wie auch die im Wahlkampf angedrohte Ausbürgerung von straffälligen Doppelstaatlern bei Eingewanderten und Menschen mit Migrationsgeschichte zu einem Gefühl der Diskriminierung und Verunsicherung beigetragen. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland auf die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte dringend angewiesen ist, wird mit diesem Klima der Verunsicherung und Diskriminierung sowohl der Verlust gut integrierter Menschen mit Migrationshintergrund provoziert als auch unser Land für ausländische Fachkräfte unattraktiv gemacht.

Insgesamt haben 29,7 Prozent der Bevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund. Laut Mikrozensus gibt es „mindestens zehn Millionen Erwachsene, die hierzulande nicht Wählen dürfen, weil sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das entspricht 14 Prozent der erwachsenen Bevölkerung und knapp 60 Prozent der Menschen mit Einwanderungsgeschichte (Publik-Forum Nr.6 2025: Heimat wider Willen).

In dem entstandenen Klima gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund wird auch die Schwelle zur Gewalt gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln schrittweise herabgesetzt. Nach Angaben des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ist die Zahl solcher Angriffe im vorvergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Die Zahl politisch motivierter Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte stieg laut Bundesinnenministerium 2024 um mehr als 30 Prozent.

Was stattdessen geboten wäre...

Paula Kons, Architektin aus Rumänien äußert sich dazu: „Es gibt ein Migrationsproblem, aber es ist nicht das, was die AfD daraus macht. Und auch nicht was die CDU daraus macht.“ Deutschland könne viel mehr für eine Integration tun, etwa die Angebote für Sprachkurse ausbauen, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vorantreiben (Publik-Forum Nr.6).

Und auch für straffällig gewordene junge Täter braucht es vernünftige Konzepte zur Integration. Der frühere Intensivtäter und heutige Sozialarbeiter Mashood Khan, der jetzt junge Menschen betreut, die wie er selbst straffällig geworden sind, kennt die Integrationsprobleme von beiden Seiten. In einem Artikel des Publik-Forum Nr. 22/2025 sagt er: „Um Lebensgeschichten wie die meine zu verhindern, müssten wir als Gesellschaft viel mehr tun: Etwa jungen Menschen in einem Fach, das vielleicht ‚gelingendes Leben‘ oder ‚Die Kunst eines guten Lebens‘ heißen könnte, beibringen wie sie ihre Energie, auch ihre Wut und ihre Ängste in gute Bahnen lenken können. Und wir müssen junge Menschen mit Migrationshintergrund häufiger in soziale Arbeit mit einbinden. Menschen, die wissen, wie sich Gewalt und Krieg anfühlen und was Gefühle der Ohnmacht oder Ausgrenzung mit Jugendlichen machen können. Generell sollten unseren Kindern wieder Werte wie Respekt von Autoritäten, Mitmenschlichkeit und Verständnis beigebracht werden… Gerade den Jungen sollten wir zeigen, was es heißt, im guten Sinn männlich zu sein: sich schützend vor Schwächere zu stellen.“

...was aber stattdessen passiert

Wenn aber stattdessen Geflüchtete, die sich bereits als gesuchte Arbeitskräfte in Ausbildung befinden, von der Polizei abgeführt und abgeschoben werden, so ist das im doppelten Sinn widersinnig: Einmal wegen des Verlustes der oft händeringend gesuchten Auszubildenden, zum anderen wegen des Abbruchs der bisher erfolgreich eingesetzten Integrationsaufwendungen und -bemühungen.

Und schädlich ist wieder einmal die jüngst vom Zaun gebrochene Debatte um die Rückführung von Menschen nach Syrien. Politiker der Unionsparteien weckten erneut Erwartungen an massenhaften Rückführungen angesichts des Regimewechsels in Syrien. Die Mehrheit der 950.000 Syrerinnen und Syrer werden in Deutschland vorerst bleiben, einerseits weil vieles beim Bundesamt für Migration in den bürokratischen Hürden hängenbleibt und nach erfolgter Entscheidung angefochten werden kann, andererseits weil viele von ihnen bereits eingebürgert sind (Badische Zeitung vom 08.11.2025). Syrische Ärzte (geschätzt bis zu 15.000 Personen) stellen inzwischen eine tragende Säule unseres Gesundheitssystems dar: Deutschlands Krankenhäuser hätten ein Problem, wenn sie auf diese wie auf die vielen syrischen Pflegekräfte verzichten müssten (Publik-Forum Nr. 15/2025) .

Insofern bewirkt diese sinnlose Debatte um massenhafte Rückführungen nur eines: Sie diskriminiert und verunsichert die gut integrierten und für unser Land unentbehrlichen Migranten und unterstützt die kruden rechtsradikalen Pläne der Remigration, die eine reale Bedrohung für unseren Wohlstand und unsere freiheitliche Demokratie darstellen.