Hat die CDU/CSU ihren Kompass verloren?
Erst behinderte die CDU/CSU über anderthalb Jahre Wirtschaftsförderung und umweltpolitisches Handeln durch Beharren auf der Schuldenbremse, um dann nach der Wahl noch von der alten parlamentarischen Mehrheit sich einen maximalen finanziellen Spielraum sichern zu lassen. Dann ließ sie einen fünf-Punkte-Plan zur Asylpolitik mit Hilfe der AfD abstimmen, bei dem vier Punkte entweder nicht durchführbar waren oder gegen EU-Regeln bzw. Gesetzesbestimmungen verstießen. Anschließend missachtete Friedrich Merz mit seiner Einladung an Netanjahu und Zusage freien Geleits den Internationalen Gerichtshof und trug somit dazu bei, dessen Autorität zu untergraben. Des Weiteren lässt sich die CDU/CSU weiter von der AfD vor sich her jagen, indem sie den völlig der Hilflosigkeit ausgelieferten Afghanischen Ortskräften, die zuvor unter bedrohlicher Sicherheitslage für Deutsche gearbeitet hatten, die zugesagte Aufnahme verweigern möchte. Und dann versuchte der bekannte CDU-Politiker Philipp Amthor als Vorsitzender einer Arbeitsgruppe für den Koalitionsvertrag das Informationsfreiheitsgesetzes abzuschaffen, über dessen Internetportal FragedenStaat seine Lobbyarbeit beim Wirtschaftsministerium aufgedeckt worden war für eine Firma, von der er 2.800 Aktien besaß. Und zuletzt soll nun Jens Spahn, der erst vor kurzem dafür plädiert hatte, die AfD im Bundestag wie andere Parteien zu behandeln, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion werden.
In kürzester Zeit hat die CDU/CSU den inhaltlichen Abstand zu AfD-Positionen immer weiter verringert und statt Brandmauer für fließende Übergänge gesorgt.
Wenn die CDU/CSU ihr christliches und rechtsstaatliches Profil schleift, verliert sie ihren Markenkern, macht sie ihre alternative Botschaft unkenntlich und betreibt sie ihren Niedergang als Volkspartei – zum Schaden unseres demokratischen Parteiensystems. Können Reformkräfte in der CDU/CSU diesen Erosionsprozess aufhalten? Eine Werteorientierte konservative CDU/CSU wird dringend gebraucht.