Rinderwahnsinn und Schweinepest – der wahre Preis des Billigfleisches

Billigfleisch ist das teuerste Lebensmittel der Welt. Um das ganze Desaster mit dem Billigfleisch erfassen zu können, ist es notwendig, sich die gesamte Nahrungs- oder besser gesagt Produktionskette anzuschauen.

In Kinderbüchern wird das Leben auf dem Bauernhof als Miteinander von Tieren und Menschen tausendfach dargestellt. Die bäuerliche Familie baut an, sorgt für das Vieh und es wird eine gelebte Nähe und Liebe zur Natur vermittelt. Kinder (und Eltern) lieben diese Bücher, die in zigfachen Variationen die Regale der Kinderzimmer füllen. In den Kinderstuben klingt noch etwas nach, wie grundlegend gut es für den Menschen ist, wenn er mit Liebe und Respekt der Natur und den Lebewesen begegnet.

Nun war und ist die Landwirtschaft, die einen sorgfältigen Umgang mit den Tieren und dem Ackerboden pflegt, nie nur die Idylle der Kinderbüchern gewesen, jedoch war sie bis in die 60er Jahre auf den pfleglichen Umgang mit den Ressourcen wie Saatgut, Ackerboden und Tierwohl angewiesen, da diese der fast ausschließliche Garant für einen guten Ertrag waren. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert.

1. Aus Landwirtschaft ist ein industrieller agrochemischer Prozess geworden. Statt Fruchtfolge wurden große Monokulturen geschaffen. Der Boden wurde zur reinen Haltefunktion der Pflanzen degradiert, verdichtet, durch Unmengen von chemisch hergestellten Zusatzstoffen ertragstüchtig gemacht. Saatgut wurde entwickelt und patentiert, damit die Pflanzen mit den wegen der Monokulturen dann notwendigen Spritzmitteln zurechtkommen. Tiere (Kühe, Hühner, Truthähne) wurden zu Hochleistungsproduzenten für spezielle menschliche Nahrungsbedürfnisse qualgezüchtet: Kühe, die vor großen Eutern kaum noch frei gehen können, Hühner, die nur noch zur Dauerhochlegeleistung getrimmt wurden oder solche, die für die begehrte Hähnchenbrust durch Züchtung zu derartigen Brusthypertrophien verformt wurden, dass sie ständig drohen vornüber zu fallen.

2. Doch damit ist das ganze Elend noch nicht beschrieben. Kühe, Schweine, Hühner wurden in immer größer werdenden Megaställen zusammengepfercht. Kühe, die Nachkommen von in Steppen und Savannen umherschweifenden Herden sind. Schweine, die Empfindungen und Hautsensibiltäten haben ähnlich wie wir Menschen. Hühner, die in geselligen Gruppen ein reges Kommunikationswesen betreiben. Die Zustände dieser Megaställe sind himmelschreiend: ein Leben oft ohne Tageslicht in qualvoller Enge ohne Auslauf entweder auf verdreckten Böden oder auf Lattenrosten, die weder natürliches Stehen noch Liegen ermöglichen. Von Tiergefängnissen da zu sprechen, dürfte eine Untertreibung sein, Folter wäre der passendere Begriff. Verliert nicht der Mensch selbst, indem er Tiere zu reinen industriell gemanagten Nahrungslieferanten, zu reinen nur dem Verwertungsnutzen dienenden Gegenständen ohne Rechte auf eigenes Leben, seinen moralischen Kompass, seine Würde?

3. Doch auch damit ist das Ausmaß des Elends nicht hinreichend umrissen. Für die immer größer gewordenen Megaställe braucht es natürlich Futtermittel in noch nicht gekanntem Ausmaß. Da kommt die kapitalgesteuerte Globalisierung ins Spiel: Für die Fleischüberproduktion in Deutschland, Niederlanden und anderen westlichen Staaten müssen aus Wäldern in Nord- und Südamerika Ackerland für Soja-Monokulturen gewonnen werden. Neben dem verheerenden Effekt auf das Klima werden dort die Böden durch den industriellen agrochemischen Prozess ausgelaugt, die Artenvielfalt zurückgedrängt, oder etwas klarer ausgedrückt: große Wildtierpopulationen dem Untergang geweiht. Da der Preis für das nach Europa auszuführende Soja nicht durch die Decke gehen darf und die Ausfuhr für die großen landwirtschaftlichen Firmen sich auch zahlt, müssen die Löhne der dort unter gesundheitsschädlichen Bedingungen schuftenden Landarbeiter niedrig gehalten werden. Nachdem dann das Sojafutter mit schmutzigem Treibstoff um die halbe Welt geschippert wurde, landet es hier in den Megaställen.

4. Die dort gefangengehaltenen Tiere produzieren wiederum eine Unmenge an Exkrementen, die zur Überdüngung des hiesigen Weidelandes führt, dabei natürliche Flora und Fauna zurückdrängt mit Populationsschwund und Auslöschung von zahlreichen Wildtierarten in der Folge. Im überdüngten Boden versickert, kontaminiert die Gülle das Grundwasser, das nicht mehr für den Eigenverbrauch genutzt werden kann und in aufwändigen Verfahren wieder auf Trinkwasserqualität gebracht werden muss.

5. Doch die Kette des Wahnsinns geht noch weiter: Der hohe Fleischanfall aus Megaställen erfordert ebenso große Megaschlachtereien. Diese schlachten im industriellen Maßstab. Zum Schlachten müssen die Tiere aus Deutschland und den Nachbarstaaten z.B. zur Megaschlachterei Tönnies gekarrt werden – eine neue Station auf deren Leidensweg. Nur nebenbei verdrängen die Megaställe und die Megaschlachtereien die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe und die kleinen Schlachtereien – die dem Niedrigpreisniveau nicht standhalten können. Davon abgesehen können die niedrigen Preise auch nur gehalten werden, wenn der Schlachtvorgang in industriell parzellierte Einzelvorgänge zerlegt wird in einer Fließbandkette. Diese entwürdigende monotone Zerlegungsarbeit wird von aus Niedriglohnländern angeheuerten Menschen zu Niedriglöhnen verrichtet, ohne Rücksicht auf die dabei zu erwartenden seelischen Schäden. Wie der Skandal zur Corona-Zeit zeigt, waren diese Industriearbeiter zu hohen Mieten in schlimmsten Zimmern zu mehreren Personen zusammengepfercht untergebracht.

6. Nun erfüllt dieses Billigfleisch in Deutschland seine Funktion: als billige Proteinzufuhr für Menschen, die aufgrund von geringem Lohn und Einkommen sich das am ehesten leisten können. Da helfen keine Ernährungsratschläge. Billigfleisch garantiert hinreichende, wenn auch ungesunde Ernährung bei niedrigem Lohnniveau.

7. Doch auch damit ist die fatale Spur der Billigfleisch-Produktionskette noch nicht vollständig: Der agrochemische Komplex und die daraus hervorgegangene industrielle Fleischproduktion erzeugen aufgrund der Futtermittelimporte und der Arbeitskräfte sparenden Massentierhaltung eine Überproduktion an Fleisch, die mit regionalen Futtermitteln nicht möglich wäre. Diese Überproduktion muss (vergleichbar dem Export der chinesischen E- Auto-Überproduktion nach Europa) wieder in Länder zurück transferiert und vermarktet werden, aus denen zuvor die Futtermittel für die Überproduktion eingeführt worden waren. Dort werden die heimischen Märkte von den Billigangeboten ‚made in Europe‘ geflutet, mit der Folge, dass heimischer Anbau und Vermarktung zurückgedrängt werden, regenerativ naturschonend arbeitende Bauern und Viehzüchter ihre Existenz verlieren und dann als mögliche Billigarbeitskräfte dem dort voranschreitenden agrochemischen Komplex zugeführt werden können. Staatliche Möglichkeiten, sich gegen diese Einfuhren zu wehren, gibt es kaum aufgrund vielseitig bestehender wirtschaftlicher Abhängigkeiten.

Rechnet man all die Kosten zusammen, die Kosten der enormen Umweltschäden, die Kosten der Verarmung an Flora und Fauna, die Kosten der entwürdigenden Arbeitsbedingungen, die unzähligen Rechnungen auf Kosten der Zukunft, so ist Billigfleisch unbezahlbar teuer. Nicht in Geld zählbar ist aber das Leid der einheimischen Bevölkerung, das dadurch verursacht wird, und die - bar jeglicher Einfühlung - den Nutztieren zugefügten Quälereien. Statt Dankbarkeit zu erfahren für das, was sie uns geben, werden sie zu einem beliebig manipulierbaren Ding herabgewürdigt – ein Verbrechen mit schlimmen Rückwirkungen auf die Menschheit.

Greenpeace, foodwatch und BUND setzen sich dafür ein, dass diese Verhältnisse sich ändern. Man kann etwas tun, indem man diese Organisationen unterstützt.