In Zeiten milliardenfacher Lügen: Sagen, was ist (Rudolph Augstein)

Wie sind wir dahin gekommen, wo wir stehen? Wohin weist der eingeschlagene Weg? Was ist daher zu tun?

Markus Söder sprach im Brennpunkt der ARD vom 24.02.2025 angesichts der Wahlergebnisse von der letzten Patrone vor einem Sieg der AfD als stärkste Partei. Auch wenn man nicht annehmen kann, dass Söder das als selbstkritische Bemerkung gemeint hat, sondern als Warnung an einen möglicherweise nicht hinreichend beugungsbereiten zukünftigen Koalitionspartner SPD, so trifft diese Metapher in mehrerlei Hinsicht die entstandene Lage.

Mit Patrone ist zutreffend eine Art kriegerischer Auseinandersetzungen der letzten Jahre gekennzeichnet. Die letzte Patrone zeigt an, dass zuvor schon viel verschossen und das gewünschte Ziel verfehlt wurde. Und tatsächlich ist es hinsichtlich der Wahlerfolge der AfD eine Minute vor Zwölf. Da angesichts der prekären Lage alles auf die gründliche Ursachenanalyse und auf die sich daraus ergebenden richtigen Schlüsse ankommt, möchte ich dazu im Folgenden einen Beitrag zu leisten versuchen.

 

Schrumpfen der Volksparteien, Erstarken der AfD – wurde entsprechend dem Ernst der Lage gehandelt?

Die Bundestagswahl 2021 hat nach vier Jahren Großer Koalition bereits den Ernst der Lage gezeigt: Die CDU/CSU war auch unter 26% abgesackt, CDU und SPD erzielten zusammen nur noch knapp über 50% der abgegebenen Stimmen. Das zum Teil skandalöse Auftreten der AfD im Bundestag hatte nicht zu deren Schwächung geführt.

Mit einer zum Teil rechtsextremen, fest im Bundestag vertretenen Partei war eine neue Situation entstanden: Bis dahin konnte man relativ gefahrlos der parteipolitischen Konkurrenz alles mögliche Versagen, Stümperhaftigkeit, verfehltes politisches Handeln unterstellen ohne Unterfütterung durch Fakten und Alternativvorschläge. Jedoch spätestens ab diesem Zeitpunkt musste man einkalkulieren, dass die wohlfeilen Vorhaltungen oder Behauptungen zur Schwächung der politischen Konkurrenz Waffen im Köcher der Rechtsextremen sein würden. Von dieser Erkenntnis waren etliche Parteien weit entfernt. Ein ungebremstes Attackieren drohte nicht nur die politisch Konkurrenz zu schwächen, sondern auch auf die eigene Partei zurückzufallen im Falle fehlender schlagkräftiger Alternativen.

 

Eine erste Dreier-Koalition – Neuland für Deutschland und für die Medien

Jeder kann wissen, dass eine Dreierkonstellation völlig andere Dynamiken beinhaltet als ein Zweierbündnis mit einem Stärkeren und einem schwächeren Partner. Das gilt für Geschwister, erst recht für politische Parteien. Der sprichwörtlich ausgeschlossenen Dritte – gefühlt oder tatsächlich - droht immer im Hintergrund die Übereinkünfte zu gefährden. Bei den Parteien im Dreierbund, erst recht wenn sie durch einen Hype gerade ein Kurzzeithoch erzielt haben, geht es dabei auch um einen drohenden Bedeutungsverlust. Die FDP hatte dank ihres Eintretens gegen Corona-Einschränkungen besonders bei Jungwählern 2021 enorme Zuwächse zu verzeichnen gehabt. Insofern war die Gefahr des späteren Bedeutungsverlustes besonders hoch, was entsprechende Torschlussreaktionen begünstigen musste.

Diese vom eigenen Verhalten unabhängigen strukturellen Bedingungen wurden weder von den Oppositionsparteien noch von den Medien noch von den politisch interessierten Kräften in der Bevölkerung hinreichend gewertet. Dabei war und ist angesichts des Schrumpfens der bisherigen Volksparteien absehbar, dass das Schicksal einer Dreierkonstellation kein Ausrutscher der Geschichte war, sondern die Not der Zukunft sein würde. Die vermutlich künftige Schwarz-Rote Koalition – ehemalig ‚Große‘ Koalition – ist nur zufälligerweise auf zwei Parteien beschränkt, weil das BSW nur äußerst knapp an der 5%-Hürde gescheitert ist.

Dreier-Bündnis bedeutet auch, dass drei verschiedene politische Ansätze und inhaltlich differierende Ausrichtungen immer wieder kompromisshaft zusammengeführt werden müssen. Das erfordert erhöhte Fähigkeiten an Konflikttoleranz und Konfliktbearbeitung. Trotz vorhandenen guten Willens: Ein Mehr an internen Diskussionen und offenem Streit kann man fast als Naturgesetz ansehen. Problematisch war das für das Ansehen der Ampelkoalition. Noch problematischer war aber dabei, dass in einem ständig sich aufschaukelnden Kreisprozess diese Streitigkeiten durch die Opposition ausgeschlachtet und durch die Medien ein ums andere Mal verstärkt wurden. Eine sinnvolle politische Auseinandersetzung innerhalb der Koalition wurde nicht mehr unterschieden von vermeidbarem Streit.

 

Die Ampelregierung ein einziges Versagen?

Bei all der herablassenden Kommentierung der Auseinandersetzungen in der Ampelkoalition durch Opposition und Medien ist kaum noch ins Gewicht gefallen, dass diese Koalition einiges auf den Weg gebracht hat. Die Arbeit der Regierung wurde zumeist nur schlecht geredet, während sie zuvor etliche der von der Vorregierung versäumten Umgestaltungen auf den Weg gebracht hatte. Der Ernst der Lage hätte einen Verzicht auf simple politische Scharmützel gefordert. Auch wenn die Ampel-Koalition durchaus nicht alles richtig gemacht hat, so hat sie doch – laut Bertelsmannstiftung – in ihrer ersten Legislatur-Halbzeit mehr auf den Weg gebracht als die Vorgängerregierung – und das in einer Zeit von Krisen historischen Ausmaßes.

Kurz nach Antritt der Regierung - die Covid-Pandemie war noch im Gang – entzog der Ukrainekrieg und die darauf folgende Energiekrise der neuen Koalition die finanzielle Grundlage für die von ihnen vereinbarten politischen Ziele des Koalitionsvertrags. Hohe Ausgaben für Waffen und Unterstützung der Zivilbevölkerung, schwerste Energiekrise durch abrupten Entzug der Gaslieferungen durch Russland, die daraufhin einsetzende Inflation ließen den finanziellen Spielraum der Koalition gegen null gehen. Gleichzeitig war sie nach Gesetz und Rechtsprechung verpflichtet, in jedem Politiksektor die CO2-Redukionsziele einzuhalten. Das war eine fast unlösbare Aufgabe, die einen ganz anderen Einsatz von den handelnden Politikern abverlangte als von denen der Großen Koalition. Diese hatten für die schwarze Null bei sprudelndem billigen russischem Gas die Klimaziele gerissen, die sozialen Probleme nicht gelöst und Infrastruktur und Internetausbau schleifen gelassen.

Und selbst in der zweiten Legislaturhälfte, als durch das Urteil der Bundesverfassungsgerichtes der letzte Ausweg aus der Finanzenge abgeschnitten war und die CDU/CSU lieber die Möglichkeiten der Ampelkoalition austrocknen ließ, als sich staatsmännisch für eine Reform der Schuldenbremse anzubieten, brachte die Regierung noch etliche Projekte auf den Weg, wie z.B. das Deutschlandticket, Gesundheitsreformen, ein neues Ausländerrecht, die überfällige Förderung der erneuerbaren Energiegewinnung und vieles mehr. Dass bei leeren Kassen die erheblichen programmatischen Unterschiede der Ampelparteien in der Auffassung über Wirtschafts-, Finanzierungs- und Steuerfragen an Sprengkraft gewinnen mussten, war zwangsläufig. Daraus kann auch die Not der FDP hinsichtlich ihres Markenkerns in Teilen nachvollziehbar werden.

 

Für die oppositionelle CDU/CSU jedoch gilt: Indem sie in einer von schweren Krisen gebeutelten Zeit nur scharf kritisierte ohne realisierbare Alternativen aufzuzeigen für die anstehenden immensen politischen und wirtschaftlichen Aufgaben, hat sie zum Vertrauensverlust gegenüber allen demokratischen politischen Parteien beigetragen. Spätestens wenn die CDU/CSU in Regierungsverantwortung unliebsame Maßnahmen zur Klimarettung, für dringende Infrastrukturverbesserungen, notwendige Investitionsförderungen, erhöhte Verteidigungsausgaben wird ergreifen müssen, werden die Feinde der Demokratie sie mit Ihren eigenen Waffen schlagen können und mühelos ein endgültiges Versagen der demokratischen Parteien behaupten können.

 

Noch ein paar Bemerkungen zum Krieg in der Ukraine und zum Gender-Hype

Die Meinungen über die bisherige Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkrieg gegen die russische Invasion gingen quer durch die Parteienlandschaft auseinander. In dieser Situation hat die SPD mit Kanzler Olaf Scholz einen umsichtigen Kurs geführt. Dass es nicht zu einer nuklearen Eskalation kam, war keineswegs von Anfang an sicher, im Nachhinein diese Gefahr als nicht vorhanden abzutun, ist wohlfeil. Hier haben Teile der Grünen eher für eine uneingeschränkte Aufrüstung der Ukraine geworben, wobei deren Bedeutung für den Kriegsverlauf oft überbetont wurde. Die SPD hat mit der proklamierten Zeitenwende, mit der Einrichtung eines Sondervermögens für die Bundeswehr und ihrer Besonnenheit im medialen Aufrüstungswettlauf nicht erkennbar falsch gehandelt und die Bevölkerung bei diesem enormen Einstellungsschwenk mitgenommen. Statt Taurus-Raketen brauchte und braucht die Ukraine viel dringlicher hinreichende Flugabwehr- Kapazitäten und Munition für Gewehre und Artillerie sowie Unterstützung im Drohnenkrieg, aber vor allem auch Hilfen zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und der Versorgung der Bevölkerung. Dieses erscheint als eine zielführende Prioritätensetzung der SPD, auch wenn niemand in einer so komplexen Lage die Weisheit für sich in Anspruch nehmen kann.

 

Ein anderes Thema der zurückliegenden Legislaturperiode erscheint extrem weit entfernt von diesen existenziellen Fragen und Nöten und war dennoch politisch sehr relevant: die öffentliche Positionierung zu Minderheiten, insbesondere solchen der sexuellen Orientierung. Dieses Herzensthema der Grünen wirkte teilweise in der Öffentlichkeit als Gradmesser, ob man noch auf der Höhe der Zeit sei und auf der richtigen moralischen Seite stehe. Die Attitüde moralischer Überlegenheit, die mitunter aus grünen Kreisen kam, war für große Teile der Bevölkerung schwer zu verdauen und hat zu für diese Minderheiten schädlichen Gegenbewegungen geführt. Die Überbetonung des Minderheitenschutzes kann letztlich auch als eine Auswirkung des neoliberalen Zeitgeistes verstanden werden, der eine Aufsplitterung der Menschheit immer kleinere Identität versprechende Untereinheiten und einzelne Individuen als Grundlage für ungehinderte Beeinflussung nutzen kann. Dazu leisten auch digitale Medien ihren Beitrag und gaukeln den Blasen überproportionale Bedeutung vor.

Es ist politisch nicht von Relevanz, wie jemand wen wie liebt, es geht uns im politischen Raum nichts an, ob jemand schwul, lesbisch oder queer ist oder mit Männern und Frauen ins Bett geht. Entscheidend ist doch einzig und allein seine Haltung als Mensch und sein Eintreten für die demokratischen Rechte und Freiheiten. Menschen, die sich schlicht als Frau oder Mann verstehen und dann von Sprachrohren einiger Minderheiten als binär, d.h. mit einem Begriff aus der Computersprache, belegt werden, erleben bei einem mitschwingenden Unterton von Gestrigkeit eine immanente Abwertung. Wenn Modernität und correctness mit Gendern in der Öffentlichkeit gemessen wird, muss man sich über geballte Gegenwehr nicht wundern. Die Überbetonung dieser politisch nicht sehr relevanten Themen hat den Grünen viele Sympathien gekostet, ihren Gegnern in der CDU/CSU leichte Munition geliefert und bei der Wahl vermutlich einige Stimmen gekostet.

 

Schüsse gegen den Feind – die AfD als lachende Dritte

In einem Gastbeitrag in der Badischen Zeitung nennt der Autor Wolfgang Jäger vorrangig zwei Bedingungen, welche die Demokratie zunehmend auch in Deutschland gefährden: Wenn Beziehungen zwischen (demokratischen) politischen Parteien von einem Freund-Feind-Verhältnis geprägt sind und wenn eine Seite die absolute Wahrheit für sich beansprucht.

Bei den anstehenden komplexen Entwicklungs- und Umgestaltungsaufgaben kann niemand die absolute Wahrheit eines goldenen Wegs für sich reklamieren. Als Gegengift gegen die oben genannten zwei Demokratie gefährdenden Bedingungen war und ist ein Mehr an gemeinschaftlich getragener Verantwortung, an konstruktiver Auseinandersetzung über realistische Alternativen und an gegenseitigem Respekt im Ringen um einen gangbaren Weg dringend vonnöten.

 

Stattdessen hatte vor allem Markus Söder, aber auch Friedrich Merz die Grünen immer wieder zu Feinden erklärt und dabei zum Teil gegen fundamentale Regeln demokratisch-politischer Kultur verstoßen. Die ständigen mantraartigen Wiederholungen (schlechteste Wirtschaftsminister seit bestehen der BRD u.a.m.) wirkten unmittelbar rufschädigend Den Schaden daraus trugen nicht nur die Grünen davon, sondern auch die CDU/CSU: Die Option einer schwarz-grünen Koalition offen zu halten, in der man ohne eigenen Profilverlust aufgrund unterschiedlicher parteipolitischer Schwerpunkten sich hätte ergänzen können, wurde verspielt.

Den größeren Schaden jedoch erfuhr unser demokratisch-politisches System als ganzes: Wenn es stilbildend wird, konkurrierende bürgerliche Parteien öffentlich herabzusetzen, wenn bedenkenlos die politische Arbeit ohne konstruktive Alternativen schlecht gemacht wird, treibt man Wähler unmittelbar der AfD zu. Es wird das Vertrauen in seriöses politisches Handeln untergraben und direkt das zersetzende Gerede der Demokratiefeinde verstärkt. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen unser Land, unsere Demokratie, die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft stehen, war und ist eine engagierte Auseinandersetzung um die besten Alternativen und eine Bereitschaft zur respektvollen Zusammenarbeit aller bürgerlichen Parteien die einzige Rettung vor dem Abgleiten in eine antidemokratische Zukunft.

Die Methodik der Rufschädigung scheint von den Erfolgen dieser Methode in den USA gefördert zu sein. Dort werden systematisch, ohne Rücksicht auf Fakten Lügen als Hauptmittel der feindlichen Bekämpfung des politischen Gegners eingesetzt. Soweit sind wir hier noch nicht. Aber: es ist faktenwidrig, zum Beispiel Robert Habeck für die Rezession hauptverantwortlich zu machen bei strauchelndem Welthandel, den schwindendem Absatzmarkt in China, bei dem Wegfall billigen Russland-Gases und den Auswirkungen auf die Wirtschaft, bei den selbstverschuldet versäumten Neuausrichtungen etlicher Industriezweige, bei der Energiepreis - getriebenen Inflation.

Und es ist diffamierend, ausgerechnet Robert Habeck der Ideologie-Verbohrtheit zu bezichtigen, der wie keiner in der Ampelkoalition Grundsätze seiner Partei aufgrund aktueller politischer Erfordernisse hintan zustellen bereit war:

  • sei es im Einsatz für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine,

  • sei es mit dem Organisieren von Flüssiggas bei Öl fördernden Golfstaaten und dem Ausbau von LNG-Terminals,

  • sei es bei der Abschaffung der Kaufprämie für E-Autos,

  • sei es bei der Zustimmung zur Aufweichung der Sektorenbindung bei den gesetzlich geforderten CO2-Einsparungen.

Hier ging es offensichtlich nur darum, den politischen Konkurrenten mit allen Mitteln schlecht zu machen.

Und es ist der Opposition gelungen, Robert Habeck das Wort ‚Heizungsgesetz‘ durch gebetsmühlenartige Wiederholungen als unauslöschlichen Makel anzuhängen. Dabei war der sicher nicht zu Ende gedachte Entwurf des Heizungsgesetzes im Stadium des Referentenentwurfs vor der allfälligen Bearbeitung im Kabinett in die Öffentlichkeit lanciert worden - zielgerichtet zum Zerpflücken und Stimmung machen. In dem Stadium waren im Entwurf noch nicht einmal entscheidende Details ausformuliert gewesen. Es lässt sich nur schwer nachvollziehen, weshalb hier soviel Häme und Verächtlichmachung ins Spiel gebracht wurde. Der politische Schaden jedenfalls ist groß und wird sich als nachhaltig erweisen.

Auch das Agieren in Sachen Atomenergie wirkte wie ein Versuch, mit vorgeschützten Argumenten sinnvolles Regierungshandeln in Abrede zu stellen. Keines der Energieunternehmen wollte eine Verlängerung über den März 2023 hinaus - allein schon aus finanziellen Gründen. Aufgrund des von der CDU damals verabschiedeten Atomkraftwerk-Aus waren bei den letzten verbliebenen Atommeilern allfällige Kontrollen und Nachbesserungen ausgesetzt worden. Im Falle einer Verlängerung wären allein durch die erforderlichen Revisionen enorme Kosten angefallen und die Betriebe ohnehin länger ausgefallen. Aber die publikumswirksame Inszenierung wurde noch durch die Beschäftigung eines dazu einberufenen Ausschusses ausgebaut. So kann man wichtige politische Kräfte zur parteipolitischen Vorteilssuche verschleißen.

 

Zur Asylpolitik und der asylpolitischen Kompetenz der CDU/CSU

Parteichef Friedrich Merz hatte die schrecklichen Taten von Asylbewerbern in Magdeburg und Aschaffenburg zum Anlass genommen, weitreichende asylpolitische Maßnahmen im Bundestag zur Abstimmung zu stellen, die weder vom Verfassungsrecht und anderen gesetzliche Bestimmungen gedeckt waren, noch asylpolitische Vereinbarungen der EU und EU-Regeln berücksichtigten. Sein Fünf-Punkte-Plan in Form eines Entschließungsantrags übernahm dabei in Teilen essentielle Forderungen der AfD (u.a. konsequente Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Grenzen). Dabei wurde die Zustimmung der AfD zu diesem Antrag einkalkuliert und diese rechtsextreme Partei hoffähig gemacht. Friedrich Merz ging zuvor nicht auf die gesprächsbereite SPD und Grüne zu, um nach gemeinsam getragenen Vorschlägen unter den demokratischen Parteien zu suchen. Vorausgegangen war dabei schon, dass das bereits im Oktober ein von der Ampel eingebrachtes Sicherheitspaket vom CDU-dominierten Bundesrat wohl aus parteitaktischen Gründen blockiert worden war.

 

Der CDU-Antrag, der im Bundestag nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit fand, stellt einen historischen Tiefpunkt in der Geschichte des Bundestages dar. Da die abgestimmten Anträge aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit EU-Regeln und Gesetzesvorgaben für SPD und Grüne auch künftig nicht zustimmungsfähig waren, wären sie bei einer Umsetzung nach der Wahl wiederum nur mithilfe von AfD - Stimmen mehrheitsfähig. Nicht grundlos triumphierte die AfD: „Herr Merz, Sie haben geholfen ... Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. … das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD.“ Mit diesem Vorgehen wurde auch salonfähig gemacht, politische Forderungen ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz zur Abstimmung zu stellen. Die Koalitionsbildung nach der Wahl ist erheblich erschwert und das Ansehen der demokratischen Parteien auf dem Spiel: Die SPD könnte nur unter Gesichtsverlust dem asylpolitischen Vorhaben zustimmen. Und es könnte die CDU/CSU nur schwächen, wenn sie von den Asyl-Plänen abrückte. Profiteur ist nur die AfD, die sich als einzig wirksame Kraft zur Durchsetzung darstellen kann.

 

Altbundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Abstimmung des Entschließungsantrags Ihrer Partei als falsch bezeichnet,

1. Falsch ist es zum einen in außen- und innenpolitischer Hinsicht: Die zeitlich unbegrenzten Grenzkontrollen, die nur mit der Anerkennung eines nationalen Notstandes von der EU gebilligt werden könnten, würden zum einen die nationalistischen Bestrebungen und Abgrenzungstendenzen in der EU fördern, zum anderen die gemäßigten Kräfte in der EVP und die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schwächen.

2. Falsch ist das Vorgehen aber auch innenpolitisch: Mit Grenzkontrollen lassen sich keine Gewalttaten von psychisch Kranken Asylbewerbern verhindern. Stattdessen werden Asylbewerber und Migranten unter Generalverdacht gestellt. Angesichts von neun ermordeten Menschen mit Migrationshintergrund durch die NSU, von neun von einem Deutschen ermordeten Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau, von wiederholten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünften etc. lenkt diese Fokussierung auf Asylbewerber von der größten Gefahr der Rechtsextremen ab. Es wird das Angstklima gegenüber Migranten, Asylbewerbern und allem Fremden verstärkt, und Gewaltbereitschaft eher gefördert. Verstärkte Fremdenfeindlichkeit schadet auch dem wirtschaftlichen Standort Deutschland, der ohne den essentiellen Beitrag von Migranten schweren Schaden erleiden würde.

3. Falsch ist der Inhalt des Entschließungsantrags schließlich auch, weil er als Antwort auf die Gewalttaten von Magdeburg und Aschaffenburg dysfunktional ist. Kein Mord kann durch dauerhaft eingerichtete Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen verhindert werden. Aber diese würden laut Auskunft der Gewerkschaft der Grenzpolizei 10.000 neue Stellen erforderlich machen. Stattdessen würden 1000 neue Stellen zur schnelleren Bearbeitung der Asylverfahren, zur besseren Koordination der zuständigen Stellen für Registrierung und Durchführung der Abschiebung (denn deren Versagen hat ja auch dazu geführt, dass Täter sich weiter hier aufhalten konnten), aber auch zur besseren Betreuung der Asylsuchenden die Bedrohung durch psychisch kranke Gewalttäter reduzieren.

4.Und als falsch hat sich schon vor der Wahl selbst für Merz erwiesen – so die Meldung auf der ersten Seite der FAZ am 21.02.2025 - , die 40.000 Ausreisepflichtigen internieren zu wollen. Was für ein Licht wirft das auf den Kanzlerkandidaten, der dafür zuvor einen Tabubruch in Kauf genommen hat?

 

Die Überforderung der Kommunen mit der Integrationsleistung kann nicht in Abrede gestellt werden. Aber eine einseitige Darstellung der Probleme hat zur Emotionalisierung der Asyl-Debatte beigetragen. Tatsächlich ist die Überlastung der Integration zu großen Teilen auch auf die zusätzliche Aufnahme von einer Millionen Ukraineflüchtlinge entstanden. Nur wurde das im politischen Raum nicht hörbar argumentiert, hätte aber sehr zur Entemotionalisierung der Asyl-Debatte beitragen können. Mit der doppelten Belastung und Überforderung bei der Integration in den Kommunen hätte sich auch eine verbesserte Regulierung des Zuzugs von Migranten begründen lassen. So wurde aber faktenwidrig der Eindruck einer nur mit drastischen Maßnahmen zu begegnenden Notlage erweckt, obwohl die Regierung bereits begrenzende Maßnahmen beschlossen hatte, die Zahl der ankommenden Asylsuchenden seit längerem kontinuierlich sank und ein bereits von der Regierung erarbeitetes zusätzliches Maßnahmenpaket von CDU-regierten Ländern blockiert wurde.

Zusammenfassend wird in einer Umfrage unter Wählern der CDU/CSU wenig Kompetenz in der Bewältigung der Migrationsprobleme unterstellt. Es verwundert schon, wenn Markus Söder bar jeglicher selbstkritischen Betrachtung angesichts dieser Vorgänge die Ursachen für diese Wählermeinung nur bei der vorigen Kanzlerschaft von Angela Merkel sehen kann.


Ein Kanzler, der die Probleme in der Bevölkerung versteht?

Friedrich Merz hat schon durch mehrere Äußerungen erkennen lassen, dass er entweder nicht hinreichend informiert ist oder unbegründet diskriminiert: Wenn er vom Sozialtourismus der Ukrainer oder von Flüchtlingen, die bei Zahnarztbehandlungen bevorzugt würden oder von kleinen Paschas spricht. Auch die Fokussierung auf das Bürgergeld und die angeblichen Einsparungen bei dessen Abschaffung lässt eine große Distanz eines Multimillionärs zu den Problemen in der Bevölkerung vermuten.

Die angekündigten Sparmaßnahmen im sozialen Bereich dürften geeignet sein, die Schere zwischen Arm und Reich weiter zu Ungunsten des sozialen Friedens auseinanderklaffen zu lassen. Zu möglichen Folgen lohnt ein Blick über den Ozean: Eine Autorin von publik forum berichtete von ihren Erfahrungen aus dem monatelangem Häuserwahlkampf über Gründe für die Wahl von Donald Trump. Es lässt die Sehnsucht nach einer Erlösung besser verstehen. ‚...Die Leute sagten mir:“Trump wird es richten, der sagt doch, er kriegt den Preis für Eier runter.“ „Der hat doch selbst ein Unternehmen, der weiß, wie es geht.“ „Die Migranten erschleichen sich Privilegien und wir geben Geld für die Ukraine“ „Die Demokraten kümmern sich nur um Gender und um Themen, die mich nicht interessieren. Warum sollte ich sie wählen?“ So und ähnlich haben die Leute geredet.‘ Hier lässt sich manches auf hiesige Verhältnisse übertragen.

 

Wie steht es um die Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik?

Die CDU hat mit Friedrich Merz einen Frontmann, der aus der Wirtschaft kommt. Genauer gesagt, lag der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten im Bereich der Finanzwirtschaft, nicht im Bereich des produzierenden Gewerbes. Die Finanzwirtschaft hat in den letzten 25 Jahren nicht immer unbedingt zum Gemeinwohl beigetragen. Ihr Hauptansatz ist die Gewinnmaximierung von Geldanlagen. Nach Ende des kalten Krieges richteten sich die Hoffnungen der Politik der westlichen Länder auf die möglichst ungebremste Entwicklung der Wirtschaft. Wirtschaftsliberalismus statt sozialliberaler Ausrichtung. Bill Clintons Ausspruch ‚It‘s the economy, stupid‘ (1992) machte sprunghaft Karriere. Und es schien lange Zeit so, als sei es ein Naturgesetz, dass mit Deregulation, Privatisierung von Daseinsfürsorge und Produktivitätssteigerungen der Wohlstand weltweit gehoben und die Armut bekämpft werden könnten. Mit dem allseits geförderten Wirtschaftswachstum werde sich nicht nur das Niveau der Gewinne heben sondern wie ein Boot bei höherem Wasserstand auch das Ein- und Auskommen der unteren Schichten verbessern. Schon lange ist der Scheitelpunkt dieser Entwicklung überschritten: Die rasante Wirtschaftsentwicklung war nur durch exorbitant gesteigerten Verbrauch der Ressourcen dieser Erde möglich, durch Überdüngung. Überfischung, Übernutzung von Bodenschätzen, Überlastung der Luft mit CO2, durch Exportierung dsyfunktionaler Wirtschaftsformen in Länder des Südens unter Verdrängung regional funktionierender Wirtschaftskreisläufe, durch immer raffinierteres Lenken und Manipulieren der Bevölkerung zu einem Überkonsum, durch immer stärkere Einsparzwänge im Bereich der Daseinsfürsorge etc. Heute dringt erst allmählich ins Bewusstsein, wie sehr der Wachstumsboom der letzten 25 Jahre auf Kosten der Lebensbedingungen jetziger und kommender Generationen gegangen ist und inzwischen die Lebensbedingungen auf unserem Planeten generell bedrohen.

 

Vor diesem Hintergrund wirken die Ideen zur Wirtschaftsförderung der CDU/CSU wie eine Rückgriff auf die alten Rezepte. Dabei verspricht nicht einmal eine einseitige, nicht sozial austarierte Wirtschaftspolitik ohne Einbezug großen Vermögens in die Finanzierung von Infrastruktur und Sozialsystemen ein hinreichendes Wirtschaftswachstum, um die enorm angehäuften Kosten der Zukunftssicherung abzudecken.

Wenn man nur mit der Gießkanne Begünstigungen für Wirtschaft und Kapital ausschüttet und so die Konjunktur beleben möchte, muss man mit vielen Fehlanreizen rechnen (viele Firmen sind offen oder verdeckt mit Geldanlagen beschäftigt, andere setzen auf die Weiterverwendung fossiler Brennstoffe, dritte machen hohe Rendite mit Investitionen in die Daseinsfürsorge). Dann passiert Deutschland, was den Autokonzernen in Deutschland geschehen ist: Statt Anreize zur anstehenden Transformation zu geben, wird dann mit ‚Schummelsoftware‘ zu einem perspektivlosen Weiter so ermuntert.

 

Klimapolitik verzichtbar?

An den wirtschaftspolitischen Plänen der CDU/CSU ist noch in keiner Weise zu erkennen, wie neben den aufzuholenden Versäumnissen der Vergangenheit die enormen Herausforderungen der Transformation der Industrie zur Klimaneutralität finanziell gestemmt werden könnten. Und es ist auch nicht erkennbar, wie mit steigender CO2-Bepreisung die dadurch bedingten Belastungen der Bevölkerung minimiert werden könnten.

Die Stichworte für die Wirtschaftswende wie das Überprüfen einer Rücknahme des Atomkraftausstiegs, die Rücknahme des Verbrenner-aus, die Rücknahme des Heizungsgesetzes, bayerische Stimmungsmache gegen Windkraft wirken wie ein roll back bei wichtigen Klimazielen. Völlig unklar bleibt dabei vor allem, wie die gesetzlich gebotenen Einsparungen des CO2-Eintrags Jahr für Jahr erreicht werden sollen.

Nach Jahren unverantwortlichen Stillstandes in Sachen Klimaschutz kommt jetzt demgegenüber alles darauf an, rasch entscheidende Fortschritte zu erzielen. Wer vollmundig vorgibt, hier den goldenen Weg zu wissen, statt eine von gegenseitigem Respekt geprägte Auseinandersetzung über den besten Weg zu führen, trägt zur Gefährdung von überlebensnotwendigen Schritten zur Klimawende bei.

In Deutschland geschieht hinsichtlich notwendiger Klimainvestitionen noch viel zu wenig. Richtigerweise setzten die Grünen auf eine Reform der Schuldenbremse, um mit gezielten wirtschaftlichen Förderungen der Transformation eine Win-Win-Situation anzustoßen: bei Senkung der CO2-Emissionen Wirtschaftswachstum und Wohlstandssicherung über eine Vorreiterrolle bei innovativen Klimatechniken zu generieren. Das Verhindern der Reform hat eine Umsetzung dieser Ziele bisher unmöglich gemacht. Es ist eine Binsenwahrheit, dass Investitionen in grüne Zukunftstechnologien sich erst im Laufe der Zeit amortisieren können. Eine Politik, die sich an momentanen Stimmungen und Umfragewerten orientiert, kann diese überfälligen Schritte nicht angehen.

Es sei daran erinnert: Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik aufgetragen, nachweisbare Schritte hin zu den politisch festgesetzten CO2-Reduktionszielen zu beschließen. Ein Weiter so wie bisher würde gegen die verfassungsrechtlich gebotenen Verpflichtungen verstoßen. Es sei hier nur daran erinnert, dass die Verpflichtungen zur CO2-Reduktion bis 2030 noch von der vorherigen Großen Koalition beschlosssen worden waren.

 

Kommt eine Reform der Schuldenbremse?

Als die CDU vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbot der Umnutzung der unverbrauchten Finanzmittel der Corona-Krise bewirkt hatten, triumphierte man in der Partei. Wolfgang Schäuble jedoch mahnte, dass das Urteil auch künftige Bundesregierungen binde und das schon jetzt in der Opposition verpflichte, … glaubwürdig Alternativen zur Regierungspolitik zu formulieren. Vorschläge oder Forderungen müssten realistisch und finanzierbar sein. Er fügte später kritisch hinzu, dass Stimmen aus der Union gleich danach Steuererhöhungen wieder ausgeschlossen hätten.

Solch nachdenkliche Töne vom glühenden Verfechter der Schuldenbremse müsste aufhorchen lassen. Es liegt völlig auf der Hand, dass die immensen Aufgaben und Nachholbedarfe in Deutschland nicht ohne zusätzliche Finanzmittel angegangen werden können. Eine Haltung, zuerst der Ampelkoalition durch Tritt auf die Bremse keinen Handlungsspielraum zu lassen und sich dann im Wahlkampf über die Finanzierbarkeit der genannten Aufgaben auszuschweigen, mag vielleicht dem Wahlergebnis zugute kommen. Jedoch fällt diesen Verhalten nach der Wahl der eigenen Partei in Regierungsverantwortung auf die Füße und unterhöhlt zusätzlich das allgemeine Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der demokratischen Parteien.

 

Was sagen die Wahlergebnisse?

Die CDU/CSU hat insofern Erfolg gehabt, als sie mit ihrer oft vernichtenden Kritik an SPD und Grünen und dem medialen Echo dieser Kritik deren Zustimmungswerte bei der Wahl nach unten drücken konnte. Zugleich hat die CDU/CSU mit dieser Politik keinen Stimmengewinn erzielen können. Im Gegenteil: das Manöver um die Bundestagsabstimmung von AfD-Positionen zur Asylpolitik hat - glaubt man den davor erhobenen Umfragewerten – der CDU/CSU sogar 2-3 Prozentpunkte gekostet. Zusammenfassend lässt sich somit insgesamt eine Schwächung der Parteien der Mitte feststellen.

Noch alarmierender sind die Wahlergebnisse in den östlichen Bundesländern. Mit 40% Zustimmungswerten für die AfD droht das demokratische Gefüge dort schon zu erodieren. Im Osten kann die AfD bereits maßgeblich nicht nur die Kommunalpolitik bestimmen. Mit Fraktionsstärken über 30% in den Landesparlamenten geht an Ihnen kein Wege vorbei bei der Ernennung von Richtern an den Landesverfassungsgerichten, können Parlamentsbeschlüsse leicht verhindert werden und Einfluss auf öffentlich-rechtliche Sender ausgeübt werden. Wenn die CDU/CSU hier nicht zu einem Schwenk in ihrem Umgang mit den anderen demokratischen Parteien findet und ein staatsmännisches Verantwortungsbewusstsein entwickelt, erodiert die Demokratie im gesamten Bundesgebiet.

Allerdings lassen Bemerkungen aus diesen Parteien vorerst wenig Hoffnung auf Selbsterkenntnis und Haltungskorrektur zu, wenn sie den Wahlerfolg der AfD der Ampel zuzuschreiben, weil der Aufwärtstrend in deren Amtszeit gefallen ist,. Mit derartigen Schuldzuweisungen könnte man die Ampel auch für den weiteren Temperaturanstieg in Gefolge der Klimaerwärmung haftbar machen, der ja auch innerhalb der letzten Legislaturperiode sich fortgesetzt hat.

Auch ein weiterer Punkt hat zum Misserfolg der CDU/CSU beigetragen. Wie ein Schild wurde das Wort Politikwende vor sich hergetragen. Schaut man auf die Inhalte, so ist außer einer letztlich nicht realistischen Wende in der Asylpolitik hauptsächlich von Rückabwicklungen die Rede - bis auf wage Versprechungen zur Wirtschaftsbelebung. Nur ist diese in der momentanen Lage keineswegs nur von Regierungshandeln abhängig und bisher durch klamme Kassen gebremst.

Nicht auf Durchführbarkeit geprüfte Versprechungen müssen in kurzer Zeit zu erheblichen Enttäuschungen in der Bevölkerung führen – auch darauf braucht die AfD nur zu warten.

Nach all dem ist zu erwarten, dass die AfD aus der nächsten Bundestagswahl als Wahlsieger hervorgeht. Mit der letzten Patrone (Söder) lässt sich weder eine Schlacht noch Wahlen gewinnen, zumal wenn man bisher auf die falschen Feinde geschossen hat.

Die hohe Wahlbeteiligung hat deutlich gemacht, wie viel Hoffnung auf wirksames Parteienhandeln in der Bevölkerung noch besteht. Noch, denn ein Versagen der kommenden Regierungskoalition wird auf gefährliche Weise Frust und Suche nach gewaltverherrlichenden ‚Lösungen‘ verstärken.

 

Das Schicksal der beiden Koalitionspartner nach der Wahl

Durch die dargestellten Entwertungen politischen Handelns in der letzten Legislaturperiode und zuletzt durch die unselige Abstimmung von großteils letztlich nicht durchführbarer Maßnahmen zur Begrenzung des Zuzugs von Migranten ist eine politische Lage entstanden, die auch zukünftig nur Verlierer bei den demokratischen Parteien erwarten lässt. Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat seine Partei mit seinem Vorpreschen geschwächt, vor allem aber auch seine Position als Kanzler, da er als einer sich herausstellen wird, der (asylpolitische) Ankündigungen nicht in der Lage ist umzusetzen. Die AfD braucht daher nichts zu tun, sie kann sich jetzt schon auf die Ernte freuen.

Aber auch der künftige Koalitionspartner SPD ist in einer misslichen Lage. Die SPD kann nur mit Verlust ihres Markenkerns den Asylplänen der CDU/CSU und Vorhaben, Finanzspielräume durch Abbau von Sozialleistungen zu generieren, zustimmen. Verzögern sich dadurch die Koalitionsverhandlungen, so wird es absehbar zu gegenseitigen Schuldzuweisungen kommen, die wiederum Zustimmungswerte auf das AfD-Konto bringen werden.

Aus diesem Dilemma beider Parteien könnte nur ein fulminanter Schwenk hin zu staatsmännischer Haltung und Handlungsbereitschaft unter Hintanstellung taktischer Vorteilssuche führen. Darf man das hoffen, wenn man sieht, dass die CSU mit Markus Söder bisher nur taktisch handelnd unterwegs war und die CDU mit Friedrich Merz bisher einen nach Tagesereignissen ausgerichteten Schlingerkurs fährt und dabei Wort- und Tabubrüche in Kauf nimmt?

Dass Friedrich Merz nach einer jüngsten Meldung Israels Premierminister Netanjahu in einem Telefongespräch für eine Einladung nach Deutschland freies Geleit zugesichert hat, reiht sich in fataler Weise in vorangegangene Positionierungen ein: Setzten sich die Entschließungsanträge zur Asylpolitik über gesetzliche Einschränkungen und EU-Regeln hinweg, so wird mit derartigen Zusicherungen gegen die Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofs verstoßen. Das kommt in Zeiten, in denen der IGH von Donald Trump massiv attackiert wird, einer Entwertung und Schwächung dieser für unsere Zukunft enorm wichtigen Einrichtung gleich. Wer soll sich denn dann noch an die Beschlüsse des IGH gebunden fühlen, wenn schon Deutschland sich über diese hinwegsetzt?

Auch zeigen derartige Manöver schon vor Übernahme der Regierungsgeschäfte, dass die SPD als Koalitionspartner bei Wiederholung derartiger Vorstöße nur die Rolle als Opposition in der Regierung übrig bleibt, was Koalitionsstreit, negatives Medienecho und Politikverdrossenheit beflügeln wird.

 

Was ist daher zu tun?

1. Zunächst einmal muss angesichts der aufgeführten Dilemmata der Blick auf die zur Koalitionsbildung fast verdammten SPD berücksichtigen, dass in dieser beklemmenden Lage voraussichtlich kaum saubere, moralisch unangreifbare Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Daher sollte notwendige Kritik in der Sache klar, in der Bewertung der Handelnden verständnisoffen geführt werden. Auch wir Bürger als Begleiter des Regierungshandelns tun gut daran, Kritik konstruktiv aus einer staatsmännischen Perspektive zu üben. Nicht vernichtend und besserwisserisch, sondern konstruktiv. Porzellan zerschlagen geht leicht, das Zusammenfügen erfordert enorme Anstrengungen.

Besser ist derzeit die Partei Bündnis 90/die Grünen dran. Sie kann sich jetzt deutlicher als demokratische Alternative zum Regierungshandeln positionieren. Dazu ist es erforderlich, einigen Ballast abzuwerfen, so zum Beispiel die überzogene Zurschaustellung ihres Eintreten für Minderheiten mit diversen sexuellen Orientierungen. Das hat ihr in der Vergangenheit sicher Zustimmungswerte gekostet. Sich als moralisch Bessere zu präsentieren, kann nur Gegenreaktionen hervorrufen, die letztlich auch den Minderheiten nicht zugute kommen. Noch wichtiger ist allerdings eine von Inhalt und Finanzierbarkeit her nachvollziehbare Positionierung zur Gestaltung der enormen Zukunftsaufgaben. Dazu gehören auch realistische Konzepte zu einer gerechteren Steuerpolitik, zur Eindämmung des Einflusses von gewinnorientierten Unternehmen in den Bereichen der Daseinsfürsorge, zu schrittweisen Förderung der Transformation der freien Wirtschaft und nachvollziehbare Schritte hin zur CO2-Neutralität in anderen Sektoren. Nicht zuletzt sind dabei Maßnahmen zum Abpuffern der CO2-Bepreisung (z.B. Klimageld) erforderlich.

 

2. Der politisch interessierten und politisch aktiven Öffentlichkeit jenseits von Parteibindungen kommt in dieser politischen Lage eine besonders wichtige Bedeutung zu. Das gilt für die zahlreichen NGOs wie Campact, WeMoveEurope, Greenpeace, BUND, Finanzwende, friday for future und viele andere mehr. Sie werden gefordert sein, mit Recherchen, Kommentierungen, Anträgen, Petitionen Klagen und allen Mitteln bürgerlichen Engagements dem Drift in Richtung Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen und auf das Regierungshandeln Einfluss zu nehmen.

 

Es ist erschreckend, dass die CDU/CSU schon vor ihrer Regierungsbeteiligung zielgerichtet mit einer Anfrage die Gemeinnützigkeit von 17 NGOs, Vereinen, gemeinnützigen Unternehmen und Journalistenorganisationen (wie z.B. CORRECTIV gGmbH) infrage stellt und so die Zivilgesellschaft ins Visier nimmt (BZ vom 27.02.25). Die AfD hätte nicht geschickter vorgehen können, um gegen die Fördergelder zivilgesellschaftlichen Engagements vorzugehen. Während finanzkräftige Lobbyisten von Finanzwirtschaft und Industrie ungehinderten Zugang zu Parteien und Parlamentariern in Berlin haben, sollen die kritischen Stimmen von Umweltverbänden, Vereine wie „Oma gegen rechts“ und kritischen Journalisten zum Schweigen gebracht werden. Und das, wo ohnehin ein mächtiger Lobbyverband, der Wirtschaftsrat der CDU, direkt im CDU-Vorstand sitzt.

Parallel dazu führt die EVP in bemerkenswerter Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen im Europaparlament eine Debatte über die „EU-Finanzierung von NGOs“, ausgerechnet unter dem Deckmantel der Lobbytransparenz. Während Lobby-Riesen aus Wirtschaft und Industrie auch dort ungehindert ihre Interessen vertreten können, werden mit Attacken gegen die Stimmen der Zivilgesellschaft versucht, die unverzichtbaren Gegengewichte im Dienste von Umweltschutz Agrarwende und Lobbykontrolle zu schwächen (Europa-Abgeordneter Daniel Freund).

Angesichts dieser demokratiefeindlichen Bestrebungen kommt jetzt alles darauf an, die NGOs noch mehr zu stärken. Mit oder ohne Anerkennung der Gemeinnützigkeit sollten sie von der Zivilgesellschaft jetzt erst recht mit großzügigen Spenden finanziell unterstützt werden. Die Spendengelder sind in dieser Zeit ein unverzichtbarer Beitrag zum Erhalt unserer demokratischen Strukturen, der bürgerlichen Freiheiten und einer noch bewohnbaren Umwelt. Die NGOs, Umweltverbände und kritischen Journalisten müssen jetzt stark gemacht werden, damit sie nicht in der nächsten Legislaturperiode verboten werden können.

 

3. Alle politisch vorausschauende Menschen sollten sich im Klaren darüber sein, dass wir auch im Parlament ein Gegengewicht gegen die in Teilen rechtsextreme AfD benötigen, die spätesten bei der Neuwahl 2029 (oder früher) stärkste politische Partei im Bundestag sein wird. Für dieses Gegengewicht sind wir auf die verbliebenen etablierten Parteien, die ein hinreichend großes Stimmengewicht aufbringen können, auf SPD und Bündnis 90/die Grünen dringend angewiesen. Und auf die CDU/CSU nach der nächsten Wahl, falls sie nach erwartbaren Stimmenverlusten sich klarer gegen Rechtsaußen positionieren sollte.