Gegen Rechtsextremismus: Empathie und Veränderungsbereitschaft als Tugenden in unserer Demokratie
Zunehmend bestimmen die Rechtsextremen den politischen Diskurs in Deutschland und in Europa. Auch in den USA baut Präsident Trump die Demokratie ab und biedert sich dem Autokraten Putin an. Die Propaganda dieser Gruppierungen richtet sich gegen Migranten, alles Fremde wird abgelehnt. Dazu kommt noch, dass die Konservativen in CDU und SPD diese Themen zunehmend bedienen und eine populistische Abschottungspolitik betreiben. So werden an unseren Grenzen
trotz sinkender Zahlen Asylsuchende rigoros zurückgewiesen, obwohl viele Experten diese Maßnahmen als rechtswidrig und ineffektiv ansehen. Der Ton und die Sprache werden zunehmend schärfer, man will mit der AfD konkurrieren.
Angst vor Veränderung und sozialem Abstieg beeinflussen die Einstellungen und das Verhalten vieler Mitbürger und befördern Haltungen mangelnder Empathie gegenüber Fremden. Versäumnisse politischen Handelns in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise tragen ursächlich zur Angst und Abwehr gegenüber jeglichen Veränderungen in der Bevölkerung bei. Sie verstärken latentes autoritäres und antidemokratisches Denken und Handeln. Deshalb ist es wichtig, sich zu erinnern, wie wichtig es ist, verfolgten Menschen, Menschen in Not zu helfen.
Im Folgenden möchte ich darauf hinweisen, dass gerade unsere Geschichte lehrt, wie wichtig für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie es ist, diese offene Haltung zu pflegen.
Empathie gegenüber Geflüchteten zeigen
„Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.“ (Martin Luther King)
Werner Reich, der als 16-Jähriger Auschwitz überlebte, beendete seinen Vortrag vor
Schülerinnen und Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Waldkirch, Baden, im November 2018 - vier Jahre vor seinem Tod 1922 - mit dem obigen Zitat von Martin Luther King und verband es mit einem eindringlichen Appell: „Und er hat recht gehabt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was die Nazis gesagt haben. Aber ich kann mich sehr gut erinnern, wenn wir Länder angebetet (er meint angebettelt) haben, uns hereinzulassen und sie nichts gesagt haben. Schweigen bedeutet Zustimmung. Bitte, seid kein schweigender Freund. Niemals wieder. Vielen Dank.“ ( https://vimeo.com/1058596500 )
Dieser Appell Werner Reichs sollte uns auch heute leiten. Die Menschen, die an unserer Grenze stehen und jetzt zurückgewiesen werden, sind zumeist aus schlimmen Verhältnissen geflohen, mussten oft zusätzlich auf dem Fluchtweg Traumatisches durchmachen und sollten daher menschlich behandelt werden. Es sollen nicht die großen Probleme verschwiegen werden, die mit der Fluchtbewegung Richtung Europa und Deutschland verbunden sind. Viele Kommunen sind überfordert, vor allem durch einen verschärften Mangel an Integrationsangeboten für Flüchtlinge. Daraus resultiert nicht selten eine Belastung des sozialen Friedens. Hier könnte und muss einiges verändert werden.
Entschieden muss aber der Hetze gegen Migranten durch die Rechtsextremen entgegengetreten werden. Die derzeitige Abschottungspolitik durch die Regierung an den deutschen Grenzen ist überaus aufwändig, teuer, vor allem aber rechtswidrig und ein Verstoß gegen die Menschenwürde und gehört beendet.
Politiker instrumentalisieren schreckliche Anschläge von Migranten für unsachgemäße Verschärfungen in der Asylpolitik und heizen damit die Stimmung gegen Flüchtlinge zusätzlich an. Die Rechtsextremen von der AfD wollen Geflüchtete massenhaft abschieben, während die Regierung Deutschlands Grenzen für Asylsuchende schließt, obwohl dies unabsehbare Folgen für die EU hat und gegen EU-Recht verstößt. Vor allem aber wird so für viele Flüchtlinge ihr Elend verschlimmert.
Es gilt, verstärkt Maßnahmen zu fordern und zu fördern, die in den Heimatländern oder den benachbarten Ländern von Migranten Strukturen stärken, die dort ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, so dass Fluchtgründe entfallen. Die hiesige Politik sollte von Vernunft und Empathie gegenüber den Geflüchteten geleitet sein. Eine Politik der Abschottung schadet demgegenüber unserer Wirtschaft, verstärkt eher die Gefahr von Anschlägen und Gewaltausbrüchen, als dass sie sie vermindert.
Zuvörderst muss der bewussten Irreführung der Bevölkerung durch die AfD entgegengetreten werden und deren rechtsextreme Propaganda entlarvt werden.
Dort verbindet sich offener Fremdenhass mit der Verharmlosung der nationalsozialistischen Vergangenheit und der Unterstellung einer angeblich fehlgeleiteten deutschen Schuldkultur. Stattdessen bedeutet eine angemessene Erinnerungskultur, sich der Verantwortung aus der Geschichte zu stellen und sich mit Empathie für Opfer diktatorischer Gewalt oder des menschengemachten Klimawandels einzusetzen.
Lehren aus der Geschichte ziehen
Es geht in der Erinnerungsarbeit nicht um Schuld, es geht um die Kenntnis von geschichtlichen Fakten und Zusammenhängen. Die Erinnerung an die Verhältnisse damals kann helfen, gefährliche Tendenzen heute besser wahrzunehmen. Die NS-Diktatur und ihre Verbrechen sind nicht aus dem Nichts entstanden, sondern in einem längeren Prozess, der von Individuen und Gruppierungen sowie politischen Parteien und anderen gesellschaftlichen Akteuren gestaltet wurde. Die Entwicklungsprozesse heute sind von uns verantwortlich zu gestalten – da hilft der Blick auf unsere Geschichte.
Arno Lustiger, auch er überlebte Auschwitz, sagte vor Schülerinnen und Schülern 2003: „Schuldig ist nur der Mörder. … Es gibt keine Kollektivschuld. … Ihr seid unschuldig.“
( https://vimeo.com/1058145177 ). Nachdem er Schülerinnen und Schülern seine Auschwitznummer gezeigt hatte, bat er sie, ihre Kinder in einer nahen Zukunft daran zu erinnern, dass er ihnen diese Nummer gezeigt habe, und dass sie Zeugen dafür seien, dass die Verbrechen tatsächlich stattgefunden hätten. Die Erinnerung daran sei für uns Deutsche sehr wichtig. Arno Lustiger verstarb im Mai 2012.
Wie er das Vernichtungslager Auschwitz erlebte und überlebte, erzählt der Auschwitzüberlebende Werner Reich. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, welch unmenschlicher Einschnitt das mitleidlose Morden in der Geschichte Deutschlands darstellt. ( https://vimeo.com/663402701 )
Das Geschichtsverständnis der AfD hält einer kritischen Analyse nicht stand und entlarvt deren Propaganda als bewusste Verharmlosung des Menscheitsverbrechens der Nationalsozialisten. Die Genese und die Wirklichkeit der NS-Verbrechen werden marginalisiert und relativiert. Gauland sprach bekanntlich von „einem 12-jährigen Vogelschiss“ angesichts einer angeblich über „1000-jährigen erfolgreichen deutschen Geschichte“. Es wird völlig negiert, dass der Holocaust in seiner barbarisch-industriellen Vernichtungslogik einmalig in der Geschichte der Menschheit dasteht. (Eine sehr gute Dokumentation des MDR aus dem Jahr 2024 zum Geschichtsrevisionismus der AfD finden Sie hier: https://youtu.be/KmVMhrK2vjI?si=kk-_Cjb0hfevms4R ).
Der Geschichtsrevisionismus der AfD ist ein Frontalangriff auf zentrale Werte unserer Demokratie. Er ist ein Versuch, in der Öffentlichkeit kritisches Denken zu verdrängen und stattdessen einen unkritischen Nationalismus zu propagieren. Konsequenterweise möchte man auch die lebendige Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur abschaffen und durch einen neuen „alten“ Heldenkult ersetzen. Dies wird begleitet durch diffamierende Hetze gegen Migranten. Mit der verschwörungstheoretischen Lüge der „Umvolkung“ soll die Angst davor geschürt werden, dass die „deutsche Bevölkerung“ (sprich die Abstammungsdeutschen) durch die „Fremden“ ersetzt werden soll. Es ist deshalb wichtig, dass die AfD keinen Einfluss auf unsere Erinnerungskultur gewinnt und ihr jegliche Mitwirkung und Zusammenarbeit verweigert wird.
Uli Fischer-Weissberger ist pensionierter Gymnasiallehrer, er unterrichtete die Fächer Geschichte, Deutsch und Ethik. In seinen Projekten, vornehmlich mit Zeitzeugen des Nationalsozialismus, gestaltete er mit seinen Schülerinnen und Schülern u.a. Filme und Websites. Für seine Arbeit mit dem Judenretter Heinz Drossel erhielten er und das von ihm gegründete „Geschichtsprojekt“ 2009 den Hosenfeld-Szpilman-Preis der Universität Lüneburg.
Auf seiner Homepage veröffentlicht er Ergebnisse seiner Projekt- und Unterrichtsarbeit. Zur Zeit veröffentlicht er u.a. Textanalysen und Kommentare zum Zeitgeschehen.
Homepage: https://fischer-weissberger-filme-medien-geschichte-kultur.net/