Deutsche Grenzkontrollen: inhuman, widerrechtlich, antieuropäisch und demokratiegefährdend 

An deutschen Grenzen geschehen menschliche Dramen, fortlaufende Rechtsbrüche, immense Verschwendungen von Steuergeldern, die Brüskierung unserer nachbarschaftlichen Regierungen, eine Schwächung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die Stärkung rechtsextremer Kräfte. Es ist schwer zu entscheiden, was von alledem am gravierendsten ist. Gefährlich wird das Zusammenspiel all dieser Faktoren. Verantwortlich für diese neue Form der Verantwortungslosigkeit ist die Regierung, insbesondere Innenminister Alexander Dobrindt, und hinter ihm Markus Söder, der jetzt Bundespolitik betreiben kann ohne direkt in Erscheinung zu treten.

1. Menschlichen Tragödien.

Deutschland führtzeitlich unbegrenzte Grenzkontrollen zur systematischen Abweisung von Flüchtlingen und Asylsuchenden an allen Außengrenzen durch,

- obwohl es auf Zuwanderung angewiesen ist, um den Mangel an Fachkräften, aber auch an Tätigen im Niedriglohnbereich und in der Pflege lindern zu können,

- obwohl es auf Zuwanderung angewiesen ist, um die Sozialsysteme stabil zu halten und der Überalterung der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Die deutsche Regierung verspricht, als größte Volkswirtschaft der EU auch den größten Beitrag zur militärischen Aufrüstung zu leisten. Jedoch zueinem solidarischen Beitrag zur Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden behauptet sie nicht in der Lage zu sein, obwohl die dafür erforderlichen Mittel und Ressourcen weitaus geringer ausfallen würden. Deutschland ist dank fehlender EU-Außengrenzen nicht unmittelbar dem Zustrom über die Mittelmeer-Fluchtrouten und den belarussischen und russischen Schleusertätigkeiten ausgesetzt ist – im Gegensatz zu Italien, Griechenland oder den kleinen Staaten Litauen, Lettland, Estland.

Die Aufnahme begehrenden Menschen haben sich auf die gefährliche Flucht begeben vor Krieg, Bürgerkrieg, Verfolgung oder auch aufgrund von Folgen der Klimakrise, die zu großen Teilen vom reichen Westen verursacht wurden. Sie haben die Flucht angetreten, obwohl sie wussten, welche Tortouren und Gefahren an Leib und Leben sie dabei auf sich nehmen müssen. Ohne existentielle Gründe entschließt sich niemand für derartige Höllenrouten. Da erscheint es schon abwegig zu glauben man müsse durch künstliche Erschwernisse (wie Aufnahmeverweigerung, Bezahlkarten statt Bargeld, verzögerte Ausstellung einer Arbeitserlaubnis) den Zielort Deutschland künstlich unattraktiver machen. Nach all der durchgemachten Not Asylsuchende und Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen und in zusätzliche Notlagen zu bringen, verstößt gegen das Gebot der Humanität.

2. Fortlaufende Rechtsbrüche an deutschen Grenzen:

Gerade die deutsche Geschichte sollte uns verpflichten, für das Recht auf Asyl einzustehen. Eine Erinnerungskultur wird zur unglaubwürdigen Phrase, wenn man gleichzeitig das im Grundgesetz verankerte Asylrecht aushebelt. Im Interview mit der Badischen Zeitung am 14.05.2025 führt Constantin Hruschka, Prof. für Sozialrecht, aus: „Es gibt klare Verfahren. Und das sind keine Verfahren, die an der Grenze stattfinden können. Dafür ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Und selbst wenn ich an der Grenze feststelle, dass jemand zum Beispiel schon in Griechenland Asyl beantragt hat, heißt das nicht, dass ich die Person nach Polen, Österreich oder die Schweiz zurückschicken darf. Denn die sind ja auch nicht zuständig.“

Und ergibt zu bedenken: „Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Personen die bei uns Schutz suchen, abnehmen wird. Überhaupt befinden sich die meisten der über 120 Millionen gewaltsam vertriebenen Personen im Herkunftsland oder deren Nachbarländern. Deutschland ist nicht das Traumzielland, wie wir das manchmal zu glauben scheinen.

Deutschland ist in jedem Fall verpflichtet, Asylsuchende zunächst aufzunehmen, um dann nach derzeitigem EU-Recht prüfen zu können, ob ggf. ein anderes Land und wenn ja welches für die Erstaufnahme zuständig ist. Da die kleinen baltischen Länder mit der hohen Anzahl der zu Destabilisierungszwecken geschleusten Asylbewerber nicht alleine fertig werden können und Polen ohnehin mit dem gleichen Problem befasst ist, kommt Deutschland hier eine zusätzliche Verantwortung zu solidarischem Handeln zu.

Bundespolitiker benutzten den Begriff „Migranten“, statt von Asylsuchenden und von vor Krieg und Elend Schutzsuchenden Flüchtlingen zu sprechen. Denn so lässt sich sprachlich verschleiern, dass es sich zumeist um Menschen mit durchgemachten schrecklichen Schicksalen in Ihren Herkunftsländern, auf lebensgefährlichen Fluchtwegen, in den Transitländern und in dem Händen von verbrecherischen Schleusern handelt.

Pro Asyl erläutert (Zitate ggf. leicht verkürzt): „Der Begriff ‚Illegale Migranten‘ erweckt den Eindruck von unrechtmäßig. Dabei zählt jede(r) Asylsuchende(r) nach Grenzübertritt als ‚unerlaubt eingereist‘. Denn üblicherweise erlauben die Fluchtumstände nicht, ein gültiges Visum oder eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. 148 Staaten, darunter Deutschland, haben daher den Grenzübertritt von Asylsuchenden straffrei gestellt. Von daher wird mit dieser Begrifflichkeit ‚illegale Migration‘ bewusst versucht, Schutzsuchende als Straftäter erscheinen zu lassen. Dass ein Anspruch auf Schutz in den meisten Fällen vorliegt, belegen die fast 70 % positiv beschiedener Asylanträge.

Selbst „die Einführung einer Obergrenze für Schutzsuchende ist nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und Teilen des Grundgesetzes vereinbar.“

Diese Konventionen und Gesetze wurden nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg eingeführt – angesichts der verzweifelten Lage der damals dem Tod preisgegebenen, vergeblich Schutzsuchenden. Gerade Deutschland sollte hier nicht geschichtsvergessen und widerrechtlich handeln. Unter diesem Gesichtspunkt ist noch einmal an die Aussage von Jens Spahn im RND-Interview im Mai erinnert: „Die Zielgröße (für illegale und irreguläre Migranten) ist natürlich null. Die absolute Zahl ist von 350.00 auf 250.000 Migranten binnen eines Jahres gesunken. Aber die Zahl ist immer noch viel zu groß… „ Mit anderen Worten, hier wird ohne Scham der Aushebelung des Asylrechts das Wort geredet entgegen der Grundgesetzverpflichtung. Und nicht nur von der AfD wird den Schutzsuchenden unterstellt, dass sich viele von ihnen hier vorrangig der deutschen Sozialsysteme bedienten wollen.

Das Recht auf Asyl ist völkerrechtlich in der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Grundrechte-Charta der EU sowie im deutschen Grundgesetz verankert. Völlig erwartbar hat daher ein Berliner Gericht inzwischen die Abweisung einer Asylsuchenden an der deutschen Außengrenzen für rechtswidrig erklärt. Dass danach völlig ungerührt die rechtswidrige Praxis an den deutschen Außengrenzen fortgesetzt wird, ist verantwortungslos und gefährdet unsere Demokratie und das hohe Gut unserer Rechtsstaatlichkeit. Mit der Missachtung von Gerichtsurteilen wird ein rechtswidriges Regierungshandeln normalisiert – mit unabsehbaren Folgen.

Diese rechtswidrige Praxis reiht sich unrühmlich ein in die Rechtsbrüche an den EU-Außengrenzen. Pro Asyl schreibt dazu: ‚Gewalt gegen Flüchtlinge und organisierte Straflosigkeit haben längst System in Europa. Schwerste und selbst tödliche Gewalttaten gegenüber Schutzsuchenden gibt es schon lange. Die enorme Zahl illegaler gewaltsamer Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen zeigt, wie umfassend das Problem ist. Mittlerweile geben sich involvierte Staaten wie zum Beispiel Griechenland, Bulgarien, Ungarn oder Italien nicht einmal mehr besonders viel Mühe, solche Straftaten zu verschleiern.

 

3. Verschwendung von Steuergeldern

Für die widerrechtlichen Grenzkontrollen wurden ca. 3.000 zusätzliche Grenzbeamte eingesetzt. Gerade wurde angekündigt, die Bundespolizei um 1000 Stellen aufzustocken. Laut einer Meldung im Radio gegen Ende Juni wurden bei Grenzkontrollen ca. 160 Asylsuchende zurückgewiesen. Wenn man den enormen Aufwand an den Grenzen mit der verschwindend geringen Wirkung ins Verhältnis setzt, wird die ganze Widersinnigkeit dieses Vorgehens deutlich. Dazu kommt, dass im ersten Halbjahr 2025 laut Badischer Zeitung vom 12.07.2025 die Zahl der Asylanträge bundesweit um fast 50 % gegenüber dem Vorjahreshalbjahr eingebrochen sind. Diese Entwicklung ist weitgehend unabhängig von den Grenzkontrollen, denn die Regierung ist erst seit Anfang Mai im Amt. Mit anderen Worten: für eine widerrechtliche Praxis werden Unsummen bildlich aus dem Fenster geworfen mit denkbar geringen Wirkungen. Es steht allerdings zu befürchten, dass die rückläufigen Asylbewerberzahlen sachwidrig als Erfolg der Grenzkontrollen ausgegeben weden und zu deren Rechtfertigung herhalten müssen.

Dabei könnte dieses Geld in Sachen Asyl und Integration wirklich segensreich wirken: durch personelle Stärkung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge könnten Asylanträge schneller bearbeitet werden, die Kommunikation der Landesbehörden mit dem Bund über Gefährder und aufgrund von Straftaten ausreisepflichtige Personen verbessert werden, die Integrationsleistungen besser ausgestattet werden und Betreuung und Unterbringung ankommenderFlüchtlinge sinnvoller gestaltet werden. Es wäre ein vielfacher Gewinn: mehr Sicherheit, bessere Prophylaxe für gefährdete Menschen und bei potentiellen Gefährdern, raschere Integration und Zuführung zum Arbeitsmarkt, ein verbessertes Klima gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund

Die viel beschworene Überforderung hinsichtlich der Integration könnte so aufgelöst werden. Ohnehin gilt heute schon laut Pro Asyl: ‚Kommunen, die Strukturen und Personal nach 2016 beibehalten hatten, kommen mit den Aufgaben der Integration zurecht. Wenn Geflüchtete ihren Wohnort frei wählen können, finden sie über private Kontakte Unterkunft. Ein Unterbringung bei Freunden oder Bekannten kann das kommunale Aufnahmesystem deutlich entlasten.‘

 

4. Belastung der europäischen Zusammenarbeit und Brüskierung der Regierungen unserer Nachbarstaaten

Mit dem unabgestimmten Grenzregime gegen die Regeln der EU wird das EU-Binnenklima enorm belastet. Ausgerechnet die schon unter politischem Druck stehende polnische Regierung sieht sich gezwungen, ihrerseits Grenzkontrollen als Gegenmaßnahme zu installieren. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der PiS sein und die Restituierung der Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährden. Deutschland trägt dazu bei, dass Toleranz und rechtlicher Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen sich europaweit weiter verschlechtern. Freier Grenzverkehr und freier Handel sind behindert mit drohenden negativen wirtschaftlichen Folgen.

 

5. Stärkung rechtsextremer Kräfte

Das Vorgehen der Regierung gegenüber Flüchtlingen hat bereits merklich zu einem veränderten Klima gegenüber allen Menschen mit Migrationshintergrund geführt und im bisher nicht gekanntem Ausmaß Fremdenfeindlichkeit befördert. Indem vor allem die CDU/CSU die Abwehr und Rückführung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu ihrer zentralen politischen Aufgabe machen und mit verallgemeinernden Unterstellungen (‚Wirtschaftsflüchtlinge‘, soziale Hängematte, Gefährder etc.) diskriminieren, wird zugleich die Bereitschaft in der Bevölkerung befördert, diesen Menschen alle möglichen gesellschaftlichen Probleme anzulasten und sie als Sündenböcke zu missbrauchen. All das ist Treibstoff für das Erstarken des Rechtsextremismus, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Nachdem Deutschland seine gemäßigte Position in Sachen Asyl und Flüchtlingen aufgegeben hat, wird diese als gescheitert angesehen und als Bestätigung aller nationalistisch- fremdenfeindlichen Bestrebungen.